Der Sörgenlocher Ortschronist muss es wissen. Schließlich hat er mit dem Buch „Mein Sörgenloch“ sozusagen das Standardwerk für die Geschichte des Ortes herausgegeben. Und wer die Inhalte dieses Buches lieber an der frischen Luft in sich aufsaugen möchte, für den bietet er ab und an mal Führungen an. Dann geht es durchs Dorf und die Gemarkung. „Sind Sie gut zu Fuß?“. Wer mit Veverka unterwegs ist, sollte diese Frage tunlichst mit „Ja“ beantworten können. Zwar ist Sörgenloch mit 1300 Einwohnern der kleinste Ort in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm.
Und die Gemarkung hat „nur“ 237 Hektar. Aber die haben es in sich. Sowohl historisch, als auch landschaftlich. Gut drei Stunden kann man schon unterwegs sein, um alle interessanten Flecken gesehen und vor allem gehört zu haben. Los geht’s am besten am Sörgenlocher Schloss. Ja richtig: Schloss! Während es in Stadecken-Elsheim die Reste einer Burg gibt und in Nieder-Olm eine solche sogar nur noch auf alten Plänen und Zeichnungen existiert, hat das kleine Sörgenloch ein Schloss. Zumindest heißt es im allgemeinen Sprachgebrauch so. In Wirklichkeit lebten die Herren des Dorfes auf einem „Herrschaftlichen Hof“, dessen ältester heute noch bestehender Teil aus dem Jahre 1701 stammt und jahrhundertelang das Zentrum war.
GROSSER ZUSAMMENHALT IM DORF
Und das ist auch heute noch so: Auf einem Schlosskeller steht das Rathaus, nebendran mit dem Vereinshaus die zentrale Veranstaltungsstätte, daneben der Kindergarten. Und im alten Herrenhaus ist ein schickes Restaurant untergebracht. Das Vereinshaus haben die Bürger übrigens selbst gebaut. Ein Zeichen für den Zusammenhalt im Dorf. Der zeigt sich auch ein paar Schritte weiter, wenn man durch den historischen Schlosstorbogen geht. Da liegt auf der rechten Seite das alte Pfarrhaus – ebenfalls von den Bürgern erbaut.
Von hier aus geht es durch die Gutenbergstraße in Richtung Kirche, in der eine für die örtliche Identität entscheidende Statue steht – die Sörgenlocher Marienstatue. Um die dreht sich eine Legende, die heute noch dafür sorgt, dass jeden September katholische Christen aus dem ganzen Umland nach Sörgenloch zur Wallfahrt kommen. Denn findige Bürger brachten die Statue um 1690 aus der Kirche und vergruben sie – die Franzosen standen vor der Tür und die Gemeinde drohte verwüstet zu werden. Tatsächlich brannte das Dorf wenige Tage später nieder, die Bewohner wurden in alle Winde verstreut. Die Statue geriet zunächst in Vergessenheit.
Einige Jahre später kehrten die Sörgenlocher zurück, das Dorf wurde wieder aufgebaut, die Kirche erhielt dabei ihre heutige Gestalt. Nur die heilige Maria blieb verschwunden: Von den Zeitzeugen hatte niemand den Krieg überlebt, der Ort, an dem sie vergraben wurde, blieb verborgen. Bis eines Tages Feldarbeiter Strahlen aus einer Selzwiese aufsteigen sahen, an deren Ende die Statue gefunden wurde. So geht die Legende.
Von dem wirklich schmucken Kirchlein aus gibt es zwei Wege die weiterführen, um das Dorf zu erkunden. Entweder zurück auf die Gutenbergstraße und von dort in die Dörrgasse. Oder die Treppen hinunter auf den vor einigen Jahren hergerichteten Kirchplatz, wo übrigens bei schönem Wetter der Gottesdienst der Wallfahrt stattfindet. Mit Peter Veverka geht es oben rum. Und dabei räumt er auch gleich mit einem sich hartnäckig haltenden historischen Gerücht auf: „Johannes Gutenberg stammt nicht aus Sörgenloch.“ Auch wenn dies immer mal wieder behauptet wird. Die Wahrheit ist, dass ein Strang der Familie Gensfleisch, der auch der große Mainzer Buchdrucker entsprang, in Sörgenloch Ländereien hatte, sie zeitweise das Schloss bewohnten. Aber ob dies der Buchdrucker Gutenberg jemals gesehen hat…wohl eher nicht.
PREISGEKRÖNTER MEHRGENERATIONENPLATZ
Die Dörrgasse, mit all´ ihren historischen Bezügen endet auf der Oppenheimer Straße, die Hauptdurchfahrtsstraße des Dorfes. Von dort geht es gegenüber in den Mühlweg – im Volksmund „Mühlhohl“ genannt. „Den Namen hat sie verdient“, erzählt Veverka. Schließlich sei sie in der Vergangenheit ziemlich ausgehöhlt gewesen, weil über sie das Mehl von der am Ende der Straße liegenden Darmstadtmühle zurücktransportiert wurde. Viel Arbeit also, für die der Mühlweg früher stand. Heute ist das genau andersrum: Wer hier hinuntergeht oder mit dem Rad fährt, hat meist das Ziel sich sportlich zu betätigen oder zu erholen. Denn der Mühlweg führt einerseits zum über die Ortsgrenzen hinaus beliebten Grillplatz der Gemeinde. Andererseits zum preisgekrönten Mehrgenerationenplatz, der ein weiteres Merkmal des Ideenreichtums und Zusammenhalts der Dorfgemeinschaft ist. Hier war früher das Zuhause der örtlichen Fußballer. Die kicken aber schon viele Jahre mit den Nachbarn aus Udenheim in einer Spielgemeinschaft. Die Heimspiele finden denn auch auf dem Udenheimer Kunstrasenplatz statt. Auf dem Mehrgenerationenplatz in Sörgenloch trainieren noch die Jugendmannschaften. Es gibt einen Platz für die Bouleabteilung des TuS, Beachvolleyball ist möglich. Und, und, und….
Wer dies alles aber gar nicht will: Ein paar Meter weiter nur, und Spaziergänger, Radler, Walker und Jogger sind mitten im Paradies. Links raus geht es Richtung Hahnheim, rechts raus in Richtung Nieder-Olm. Aber in beiden Fällen immer an der Selz lang. Die Gegend ist in den vergangenen Jahren sehr stark renaturiert worden, es gibt idyllische Wiesen und Sträucher, der Selzstrand ist mit Auenbüschen und -bäumen bewachsen. Seltene Vögel fliegen hier lang, die Selztalrinder stehen in der Gegend und sorgen für ein schönes Bild. Mindestens. Wer hier einige Zeit zubringt, kommt völlig erholt zurück ins Dorf. Und dann geht er am besten in eine der Gastwirtschaften, um den Durst zu löschen. Im Alten Mühlchen. Im Moosberg. Oder in dem Ortsmittelpunkt, der sich seit einigen Jahren neben dem schönen Kirchplatz entwickelt hat. Der Dorfladen bietet vieles von dem, was heutzutage in Dörfern dieser Größe häufig verloren geht: Es gibt das Nötigste zum Einkauf, es gibt einen Mittagstisch, es gibt Zeit und Raum zur Kommunikation. „Das läuft hier gut und ist richtig wichtig“, freut sich Veverka.